FRÜHLINGSERWACHEN
Laue Lüfte, Sonnenstrahlen
dringen durch des Winters Schild
zeichnen nun auf Wald und Wiese
zaghaft schon des Frühlings Bild.
Doch im Topfe, wohlbehütet,
schlummert noch des Menschen Pracht.
Ist vom frühlingshaften Treiben
bislang noch nicht aufgewacht.
Während Bäume, Blumen, Tiere
schmücken nun die grüne Flur
ist der müde kleine Schläfer
seinen Träumen auf der Spur.
Alles Rufen, alles Necken
bringt den Topf nicht aus der Ruh‘.
Macht nach einem kurzen Blinzeln
wieder seine Augen zu.
Und mit schläfrig-zarter Stimme
ruft er in das grüne Tal.
„Lasst mich schlummern, noch ein wenig.
Weckt mich später noch einmal!“
Wiebke Leßmann
Einst zierte ich Bennys kleine Studentenbude, dann zog ich mit ihm um in eine großzügigere Bleibe. Ich wuchs, ich schälte mich, streckte jubelnd meine Blätter aus. Alsbald wurde mir mein alter Topf zu eng, ich drohte zu sterben. Bennys damalige Freundin Kerstin erbarmte sich meiner, ergriff mich beim Schopfe und wuchtete mich in dieses schwarze Ungetüm. Da saß ich nun fest, Benny schüttelte den Kopf und verwies mich der Wohnung. Ungeliebt fristete ich meine Zeit auf seiner Terrasse – hin und wieder leistete mir ein ausrangierter Christbaum Gesellschaft.
Dann kam der Tag, der alles änderte. Benny zog wieder um. Sollte nun ein neues Leben beginnen, eine zweite Chance? Starke Umzugshelferhände packten mich und… setzten mich im Vorgarten ab. Der Umzugswagen fuhr davon, ohne mich. Vorhin spazierte eine junge Frau vorbei, betrachtete mich interessiert, wiegte den Kopf nachdenklich hin und her. Dann lächelte sie und ich hörte, wie sie in ihr Handy etwas von einem Fahrrad sagte, das sie bräuchte, um eine Pflanze zu transportieren. In stillem Jubel strömt mein grünes Blut durch meine Blätter. Endlich bekomme ich meine zweite Chance.
Britta Matten